
Es klingt absurd, aber es stimmt weitgehend: Wir wissen mehr über die Oberfläche des Mondes als über den Meeresgrund – obwohl die Ozeane direkt vor unserer Haustür liegen. Wie kann das sein?
Die Tiefe ist nicht gleich Nähe
Zwar ist der Mond rund 384.000 Kilometer entfernt, doch wir können ihn problemlos beobachten und mit Radar, Kameras und Teleskopen erfassen, sogar von zu Hause aus. Der Ozean hingegen beginnt zwar direkt vor unseren Küsten, wird aber schon nach wenigen Metern so dunkel und druckintensiv, dass moderne Technik an ihre Grenzen stößt. Wasser blockiert Licht und Funkwellen, was die Kartierung extrem erschwert. Während Satelliten den Mond hochauflösend abbilden, sind wir bei der Meeresforschung auf langsame Schiffe, Sonar und kostspielige Unterwasserfahrzeuge angewiesen.
Hinzu kommt: Der Ozean ist ein ständig bewegtes, dreidimensionales System, das sich mit Strömungen, Lebewesen und geologischen Aktivitäten verändert. Trotz enormer Fortschritte ist bislang nur etwa ein Viertel des Meeresbodens genau kartiert, und nur ein winziger Bruchteil wurde tatsächlich besucht.
Warum sind die Ozeane so wichtig für unser Klima?
Weil sie als gigantischer Klimaregulator wirken: Sie speichern über 90 % der überschüssigen Wärme aus dem Treibhauseffekt und nehmen rund ein Drittel des CO₂ aus der Atmosphäre auf. Durch Strömungen wie den Golfstrom verteilen sie Wärme weltweit und steuern so das Wetter. Wird dieses System gestört, etwa durch Eisschmelze oder Erwärmungen, drohen Extremwetter, Meeresspiegelanstieg und Dürren.

Auch Plankton im Meer spielt eine zentrale Rolle: Es produziert Sauerstoff und bindet CO₂ – ähnlich wie Bäume an Land. Ohne gesunde Ozeane kippt das Klimasystem. Doch über ihre Tiefen wissen wir noch immer erschreckend wenig. Für wirksamen Klimaschutz braucht es deshalb mehr Forschung im Meer.
1. Technologische Herausforderungen und Erreichbarkeit
Satelliten können Planetenoberflächen aus der Ferne kartieren, der Mond ist lichtdurchflutet und zudem statisch und dreidimensional leicht zu erfassen. Radar und optische Systeme ermöglichen eine schnelle und großflächige Abbildung dieses Himmelskörpers.
Im Gegensatz dazu sind Ozeane lichtundurchlässig für elektromagnetische Wellen, sodass wir auf akustische Methoden wie Sonar angewiesen sind, was sehr energie- und zeitaufwendig ist. Schiffe bewegen sich langsam und können nur geringe Flächen pro Expedition abdecken.

2. Fläche und Erreichbarkeit in der Tiefe
Auch wenn wir grundsätzlich mehr über den Mond wissen, ist diese Aussage relativ zu betrachten. Betrachtet man nur das Flächenverhältnis, ergibt sich ein anderes Bild: Dank moderner Technologien und internationaler Kartierungsprojekte sind inzwischen rund 23 % des Meeresbodens hochauflösend erfasst – das entspricht etwa dem Dreifachen der Fläche der gesamten Mondoberfläche.

Allerdings täuscht diese Zahl leicht über die tatsächliche Tiefe unseres Wissens hinweg. Denn die Ozeane sind nicht einfach nur flache Flächen, sie sind komplexe, dreidimensionale Lebensräume. Der Meeresboden ist geprägt von Gräben, Bergen, Thermalquellen und vielfältigen geologischen Strukturen, die sich stetig verändern. Ebenso dynamisch ist das Leben in der Tiefsee: Viele Arten sind noch unbekannt, und biologische wie chemische Prozesse sind häufig kaum erforscht.
Noch drastischer wird das Bild, wenn man betrachtet, wie viel des Meeresbodens tatsächlich im Detail untersucht wurde. Weniger als 0,001 % wurden bislang systematisch besucht und vermessen, eine verschwindend geringe Fläche im Vergleich zur enormen Ausdehnung der Weltmeere.
3. Wahrnehmung: Sichtbarkeit und Nähe
Der Mond ist sichtbar, Sie können ihn einfach betrachten und seine Phasen mitverfolgen. Dieses greifbare Erlebnis vermittelt Wissen intuitiv. Die Tiefsee hingegen ist unsichtbar, fremd und schwer vorstellbar, sie entfremdet uns und schafft eine psychologische Distanz.

4. Kosten, Aufwand und Prioritätensetzung

Ozeanforschung ist teuer: Forschungsschiffe kosten bis zu 40.000 USD täglich, unbemannte Unterwasserfahrzeuge sind robust, aber teuer und technisch anspruchsvoll.
Im Wettbewerb um Fördermittel und öffentliche Aufmerksamkeit wird der spektakulären Weltraumforschung oftmals der Vorzug gegeben, Raumfahrt ist medial attraktiver und gilt als zukunftsträchtiger.
Zum Vergleich: Die Kosten der Mondforschung variieren je nach Mission stark, sie beginnen bei etwa 70 Millionen USD für einfache unbemannte Orbiter und reichen bis hin zu mehreren hundert Milliarden für bemannte Programme wie Apollo oder das laufende Artemis-Programm. Nach oben ist da kaum eine Grenze, vor allem beim geplanten Aufbau von Mondbasen. Doch bei all diesen Investitionen gilt: Man weiß ziemlich sicher, dass man Ergebnisse bekommt, seien es Daten, Bilder, Gesteinsproben oder technologische Fortschritte.
Bei der Tiefseeforschung dagegen ist das Risiko größer: Sie ist ebenfalls teuer, oft ähnlich aufwendig – aber man weiß vorher nicht, ob man etwas entdeckt oder was genau man findet. Das macht die Forschung in den Ozeanen finanziell schwerer zu rechtfertigen, obwohl sie für das Verständnis unseres eigenen Planeten mindestens genauso wichtig ist.

Weitere interessante Beiträge finden Sie in unserer Rubrik „Schicke Entdeckungen“.
Quellen:
- Planet
- State of the Planet
- MagazinePhys.org.
- The Conversation
- Astronomy Magazine
- Sciencing
- Scientific American
- Quarks
- https://www.climate.gov/news-features/understanding-climate/climate-change-ocean-heat-content
- https://www.un.org/en/climatechange/science/climate-issues/ocean
- https://climate.mit.edu/ask-mit/why-ocean-so-important-climate-change
- https://en.wikipedia.org/wiki/Special_Report_on_the_Ocean_and_Cryosphere_in_a_Changing_Climate
- https://seabed2030.org/2025/06/21/seabed-2030-
- https://time.com/7283470/majority-deep-sea-remains-a-mystery-study/
- https://en.wikipedia.org/wiki/General_Bathymetric_Chart_of_the_Oceans
- https://www.cbsnews.com/news/artemis-moon-program-cost-delays-nasa-inspector-general/
- https://spacepolicyonline.com/news/first-four-artemis-flights-will-cost-4-1-billion-each-nasa-ig-tells-congress/
- https://www.csis.org/analysis/costs-international-lunar-base