Gedicht: Der Februar

Nordwind bläst. Und Südwind weht. 
Und es schneit. Und taut. Und schneit. 
Und indes die Zeit vergeht 
bleibt ja doch nur eins: die Zeit.

Pünktlich holt sie aus der Truhe 
falschen Bart und goldnen Kram. 
Pünktlich sperrt sie in die Truhe 
Sorgenkleid und falsche Scham.

In Brokat und seidnen Resten, 
eine Maske vorm Gesicht, 
kommt sie dann zu unsren Festen. 
Wir erkennen sie nur nicht.

Bei Trompeten und Gitarren 
drehn wir uns im Labyrinth 
und sind aufgeputzte Narren 
um zu scheinen, was wir sind.

Unsre Orden sind Attrappe. 
Bunter Schnee ist aus Papier. 
Unsre Nasen sind aus Pappe. 
Und aus welchem Stoff sind wir?

Bleich, als sähe er Gespenster, 
mustert uns Prinz Karneval. 
Aschermittwoch starrt durchs Fenster. 
Und die Zeit verläßt den Saal.

Pünktlich legt sie in die Truhe 
das Vorüber und Vorbei. 
Pünktlich holt sie aus der Truhe 
Sorgenkleid und Einerlei.

Nordwind bläst. Und Südwind weht. 
Und es schneit. Und taut. Und schneit. 
Und indes die Zeit vergeht, 
bleibt uns doch nur eins: die Zeit
Erich Kästner

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