Vom Winde getragen – Eine Kurzgeschichte von I. Cornelia Meyer. Über die Biene Cassa und den Laubfrosch Aris.

Es war einmal eine Biene mit Namen Cassandra, kurz Cassa genannt. In den ersten Tagen war sie eine Putzbiene, doch das ist lange her. Nun war sie eine Arbeiterin und hatte täglich ihr gewisses Quantum zu erfüllen. Cassa war anders, als die anderen Bienen, sozusagen etwas tüddelig, wie wir Menschen es ausdrücken. Cassa kam mit ihrem Orientierungssinn nicht so klar, wie ihre Artgenossen und fand deshalb nicht immer zu ihrem Volk zurück.

So hatte sie es sich bereits seit einiger Zeit angewöhnt, sich mit ihrem Namen vorzustellen. Wenn sie dann nach Stunden genug Nektar gesammelt hatte, flog sie zum nächsten Bienenstock, sagte: „Hallo, ich bin Cassa.“ Sagte dann jemand „wissen wir doch“, war sie zu Hause. Sagte die Ammen-Biene jedoch „ok“ und nahm den Nektar wortlos entgegen, wusste Cassa, dass sie sich mal wieder falsch orientiert hatte.

Trotzdem war sie eine glückliche Biene, die im Laufe ihres kurzen Lebens schon einige ganz anders geartete Lebewesen kennen gelernt hatte. Zum Beispiel den Laubfrosch Aris, der so ganz rein zufällig am Rande des Teiches neben einem wunderschönen Blumenmeer saß, dass Cassa gerade eben entdeckt hatte. Ihn hatte sie jedoch nicht gesehen, denn dazu war er viel zu gut getarnt. Und deshalb war Cassa auch sehr erschrocken, als er plötzlich ein „Quaken“ von sich gab. Cassa fiel vor Schreck von der Blume, mit der sie sich gerade intensiv beschäftigt hatte. Sie landete im Gras und lag nun unmittelbar neben Aris, also neben einem Monster, wie sie ihn insgeheim nannte. Denn er war riesig gemessen zu ihrer Körpergröße. Und oh Schreck, dann fing er auch noch an zu sprechen. „Na, kleine Biene, du siehst ja richtig lecker aus und als Frühstück bist du mir herzlich willkommen.“

Cassa war entsetzt. Sollte das nun alles gewesen sein in ihrem kurzen Leben? Deshalb antwortete sie ganz keck: „Ich schmecke dir ganz bestimmt nicht, denn du hast mich erschreckt und darüber bin ich richtig wütend und werde mich ganz gewiss zur Wehr setzen. Mein Stachel wird dich treffen und wenn es dich vielleicht auch nicht tötet, doch weh tut es bestimmt, das verspreche ich dir.“ Der Frosch stutzte einen Moment und ärgerte sich gleichzeitig, dass er sie nicht einfach schon geschnappt und verspeist hatte. Doch dann besann er sich und antwortete: „Na, du bist ja eine ganz mutige Biene. Hast du keine Angst?“ Cassa holte tief Luft und antwortete mutig: „Nun, ehrlich gesagt, ein bisschen schon. Doch du siehst einfach nicht so richtig hungrig aus.“

Da musste Aris doch lachen, denn das war ihm noch nie vorgekommen. Sie stellten sich beide mit Namen vor, erzählten sich ein paar Geschichten und mussten sich dann doch voneinander trennen, da Cassa ihr Pensum an diesem Tag noch nicht geschafft hatte. Ein kurzes „Tschüss“ von beiden, dann machte sich Cassa wieder auf die Reise, um weiter Nektar zu sammeln. Heute war ein wirklich schöner Tag für sie. Und wer weiß, vielleicht erzähle ich demnächst einfach noch einmal eine Geschichte über Cassa.

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